A Techno Ballet Odyssey ist vom 5. bis 8. Dezember 2024 im Kraftwerk Berlin zu sehen und erfahren. Die Berlin Ballet Company re-inszeniert die Geschichte des Odysseus im Berliner Club Kontext. Die Aufführung ist nur ein Teil des immersiven Events.
Arabesque, Pirouetten, zackige und schnelle Schulterbewegungen. Wiederholte Relevés in der zweiten Position; hoch-tief, hoch-tief, wie ein Atem. Eine Neuinterpretation des griechischen Epos, in der sich Odysseus in der Berliner Technoszene zwischen dutzenden Raver*innen wiederfindet. Die Berlin Ballet Company nimmt uns an diesem Abend nicht nur mit auf die Reise des Odysseus, sie bringt uns eine immersive experience, ein Event mit Club-Feeling, Essen, Pre- und Afterparty. Berlin-Style…
Aufrecht getragene Körper. Lange Arme, die grazil durch den Raum fahren, unterbrochen von ruckartigen Gesten. Schnelle Kameras filmen einzelne Tänzer*innen dabei, wie sie sich durch die Menschenmenge bewegen, auf riesigen Leinwänden wird das Ganze für alle (oder viele) sichtbar dargestellt. In der Betonhalle mit Industrial Flair gibt es drei erhöhte Podest-Bühnen, auf denen sich die verschiedenen Stationen der Odyssee abwickeln. Überall sind viele schicke Menschen, bei einem Ticketpreis von 59€ nicht verwunderlich. Dafür bekommen sie heute keinen Platz vorne an der Bühne, aber eine Geschmacksverkostung mit Performance, Club Feeling und Falafel. Es gibt viele lange Schlangen, an der Tür, der Bar, der Garderobe. Die Umstände erinnern tatsächlich an eine Club-Nacht, die Atmosphäre ist eine andere. Für eine realitätsnahe Berlin Club Experience ist es zu sauber, die Menschen riechen nach edlen Parfums, nicht nach Alkohol und Schweiß und wenige Besucher*innen tanzen auf dem floor. Ich bin heute im VIP-Bereich und darf das Geschehen von einem erhöhten Punkt aus betrachten. Die erste Reihe ist aber schon besetzt und ich kann nur aus wenigen Ecken einen Blick auf die Tänzer*innen erhaschen. Ich frage mich, ob die Menschen unten in der Menge mehr sehen können.
Zwischen semi-transparenter Projektionsleinwand und Betonpfeiler beobachte ich grazil ausgeführte Hebefiguren, hohe Kicks, bodyrolls in Pailletten-Hosen und transparenten Netzoberteilen. Die Performer*innen tanzen auf Spitze, barfuß oder in Plateau High Heels. Traditionelles Ballett-Repertoire ergänzt Trends aus Subkulturen, z.B. der Ballroom Szene. Warum Odysseus sich ausgerechnet des Voguings bedient, einem Tanzstil der Schwarzen und lateinamerikanischen queeren Communities Harlems, verstehe ich nicht ganz. Während die inszenierte Queerness gerade vom Publikum gefeiert wird, bangen queere Jugendzentren um ihre Existenz.
Ich bin abgelenkt vom eigentlichen Stück und merke, wie ein Gefühl von Unbehagen mich immer wieder überkommt. Ich bin in einer Crowd, mit der ich mich nicht identifizieren kann, ihr Gang so aufrecht, dass ich trotz Jahren an Ballettstunden nicht mithalten kann, die immersive experience, die mir hier verkauft wird, erscheint mir wie eine Parallelwelt. Große Gesten, nach Außen sendend, teure Kostüme, noch teurere Location, gleichzeitig Club-Nacht, Bar, Food-Truck, modern ballet und Opernaufführung. Kultur für kultiviertes Publikum. Sind das die Tanzprojekte der Zukunft? Unterstützt von der CDU und jenen, die sich den Eintritt leisten können. Projekte, die das Budget von kleinen Kollektiven weit überschreiten. Wenn diese in Zukunft überhaupt noch überleben können. Durch die geplanten Kürzungen des Berliner Senats wird es viele dieser kleinen Projekte nicht mehr geben. Dabei lebt die Berliner Tanzszene, so wie ich sie kenne und in ihrer Einzigartigkeit schätze, von einer Vielfalt an kleinen und größeren Projekten und diversen Künstler*innen. Der raue, futuristische Betonbau, in dem die Techno Ballet Odyssey stattfindet, lässt mich in düsterer Vorahnung zurück.
A Techno Ballet Odyssey von der Berlin Ballet Company wurde vom 5. bis 8. Dezember 2024 im Kraftwerk Berlin präsentiert.