„AmnAsia: Amnesia of Asia“, Asian Performing Artists Lab ©APAL

Sichtbarkeit und Solidarität

Als Online-Veranstaltung des Berliner Ringtheaters gab das Asian Performing Artists Lab (APAL) am 9. Mai 2021 Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte von Künstler*innen mit asiatischem Hintergrund. Organisiert und gemeinsam kuratiert wurde die zweite Ausgabe des APAL mit dem Titel „AmnAsia: Amnesia of Asia“ von Ming Poon und Frederika Tsai.

Das Asian Performing Artists Lab macht die kulturelle Verwurzelung als gemeinsamen Nenner der involvierten Künstler*innen bewusst zum Thema. Bereits der Titel „AmnAsia“ verweist mit dem Wortspiel auf die Gefahr des Löschens, der asiatische Menschen und Künstler*innen in einer überwiegend weißen Gesellschaft ausgesetzt sind, wie der aus Singapur stammende Choreograf, Tänzer und Co-Kurator des Festivals Ming Poon ausführt. Die Macher*innen stellen ihren Kontext und die damit einhergehende Relevanz des APAL deutlich dar: „Asiatische Künstler*innen bekommen oftmals nur Aufmerksamkeit für ihr Werk, wenn sie über bestimmte Themen sprechen, welche die deutsche Mehrheitsgesellschaft für sie vorgesehen hat. Die vielfältigen Arbeiten werden selten gefördert und gezeigt.“ Deshalb versucht APAL Künstler*innen mit asiatischem Hintergrund zu unterstützen und die Entstehung von Werken zu fördern, die ein breiteres Spektrum von Darstellungen und Stimmen sichtbar machen. Solidarität praktisch werden lassen und die Strukturen in Berlin ergänzen, benennt die deutsch-taiwanische Theatermacherin, Kuratorin und Dramaturgin Frederika Tsai als Zielsetzung des APAL.

Während der intensiven viertägigen Arbeitsphase auf einer idyllisch gelegenen Probenfarm darf der Fokus der Künstler*innen auf der eigenen Recherche liegen. Da die aktuelle Ausgabe natürlich von den derzeitigen Herausforderungen der Kulturschaffenden bezüglich des anhaltenden Lockdowns geprägt ist, entstanden für die digitale Abschlusspräsentation fünf filmische Werke. Sie teilen die Lust am Experimentieren, und geben als Schlaglichter Einblicke in die persönliche Praxis neugieriger Künstler*innen sowie deren höchst unterschiedlichen Themen und Ästhetiken.

Thủy-Tiên Nguyễns Solo „ZUSAMMEN/zerissen/SEIN“ ist eine ehrliche und feinfühlige Bewegungsexploration, die Fragen des Erwachsenwerdens teilt. Sich mit dem Ablegen der Kleidung von alten, vielleicht nicht mehr passenden, Schichten zu befreien, heißt auch, sich verletzlicher zu zeigen. Dass sich dieser Mut lohnen wird, erahnen wir bereits in manchen der noch vorsichtigen Sequenzen. Den Fokus auf Gesten und Details zu lenken, ist ohne Frage ein Vorteil des von der Kamera geführten Blicks, den auch Nguyễn zu nutzen weiß.

Die konstante Vogelperspektive, aus der wir Nine Yamamoto-Masson in ihrem Solo „KIRIKIRI キリキリ“ (AT) sehen, definiert den klaren ästhetischen Rahmen ihres Kurzfilms. Auf dem Boden liegend ist stets ihr ganzer Körper, von einer Vielzahl weißer Tischtennisbälle umgeben, sichtbar. Mal scheint sich die Künstlerin laufend, mal eher schwimmend durch ihre Welt zu bewegen, doch letztlich kommt sie nicht wirklich vom Fleck. Dass dieses Bild unserer aktuellen Realitätserfahrung entspringt, wird unweigerlich klar. Darüber hinaus kommt die Frage auf, wer oder was diese vielen kleinen Bälle sind. Die uns umgebenden Viren, die sie von sich fern zu halten versucht oder der materialisierte Wunsch, sich im Bad der Menge mit vielen anderen Menschen zu umgeben? Das Konzept der Vervielfachung und Spieglung der Bilder sowie der subtile Klang all dieser Tischtennisbälle, schaffen einen ansprechenden visuellen und akustischen Rahmen.

Die Arbeit „A borrowed field“ von Michiyasu Furutani verfolgt einen konzeptuellen Ansatz. Filmaufnahmen von Baumrinden und farbigen Holzlatten werden einander in narrativen Zusammenschnitten gegenübergestellt. Handlungen in einem halbdunklen Innenraum und Bilder von Wäldern wechseln sich ab oder laufen parallel. In einer meditativen, von zarten Glocken begleiteten Stimmung werden zunächst blau-rote Holzlatten und Steinhaufen umsortiert. Der repetitive und fast rituelle Habitus lässt dabei Bilder des Wandels entstehen, doch mehr und mehr wird die zerstörerische Kraft und Dimension der Taten deutlich. Bilder abgesägter Bäume verflechten sich mit dem Zersägen der Holzlatten und die Frage nach der Verantwortung unseres Handelns drängt sich auf.

Sich als Autorin nicht nur mittels Text und Sprache an die Welt zu wenden, sondern auch filmisch die eigenen Gedanken zu teilen, war für Avrina Prabala-Joslin zunächst eine ungewohnte Herausforderung, wie sie im Nachgespräch ausführte. Doch ihre Arbeit „A writer goes fishing for lost voice”, die sie tatsächlich nach vielen Jahren die eigene Stimme in ihrer Muttersprache hat finden lassen, entwickelt als performative Spoken Word Poetry eine berührende Lebendigkeit. Zwischen Intimität und Argwohn gegenüber der Sprache ihrer Kolonialisten, entfaltet sich eine persönliche Suche nach den Worten der eigenen Geschichte.

Gemeinsam mit Tien Yi-Wei und Shen Sum-Sum versetzt uns Wang Ping-Hsiang für „Songs from the second floor“ in eine groteske Szenerie, bei der in einem Gewächshaus eine Karaokeshow parodiert wird. Popkulturelle Einflüsse von Mariah Carey, virale Internetphänomene wie die Ice Bucket Challenge sowie heikle Fragen der Inkontinenz werden auf komische Weise im Glashaus exponiert.

Dass die eigenen künstlerischen Prozesse und Fragen während der Residenz mit den anderen eingeladenen Künstler*innen geteilt werden konnten, war, wie im Nachgespräch deutlich wurde, für viele besonders wertvoll. In einer Zeit, in der das Arbeiten oft vereinzelt oder nur digital stattfindet, sind es neben strukturellen Chancen, die sie brauchen, wohl vor allem solche Begegnungen, Gespräche und die gegenseitige Unterstützung, die Künstler*innen brauchen, um weiterzumachen.


„AmnAsia: Amnesia of Asia” ist die Abschlusspräsentation der zweiten Ausgabe des Asian Performing Artists Lab (APAL) und wurde online präsentiert vom Berliner Ringtheater.

Am 27. Mai 2021 um 19:30 Uhr ist die Veranstaltung nochmal im Rahmen des PAF Berlin zu sehen: https://performingarts-festival.de/de/programm/amnasia-amnesia-asia-asian-performing-artists-lab-apal

Mit: Avrina Prabala-Joslin (Indien), Michiyasu Furutani (Japan), Nine Yamamoto-Masson (Japan-Frankreich), Thủy-Tiên Nguyễn (Deutschland), Wang Ping-Hsiang mit Tien Yi-Wei und Shen Sum-Sum (Taiwan) — Organisation und Kuration: Ming Poon & Frederika Tsai — Dramaturgische Betreuung: Dandan Liu — Technische Unterstützung: Jonathan Florez.