ANUNCIA EN EL PEDREGAL, Silvia Ospina ©Carlos Collado

She’s always on the move

Die Reihe I’M A UTERUS >< PROCREATORS & WARRIORS IN RESISTANCE findet an drei Abenden im CORDILLERA Raum für Körper und Utopien statt. Ich besuche die Aufführung ANUNCIA EN EL PEDREGAL von Silvia Ospina am 19. April 2025.

Ich betrete das intime Setting im CORDILLERA. Zwei Videoinstallationen sind zu sehen, während im Hintergrund Wasserrauschen zu hören ist. Auf einem der Videos ist die Darstellerin in der Natur, das Gesicht meist unsichtbar, Beine und Arme schlagen ruckartig vom Körper, werfen weg, sammeln ein, halten fest. Im anderen Video befindet sich die Tänzerin in einem rot beleuchteten Raum; sie führt langsame und bedächtige Bewegungen aus. Im Raum liegt eine runde Spiegelfolie. Bei näherer Betrachtung entdecke ich eine Aufforderung auf dem Spiegel: Schreibe eine „Intention“ für eine Frau/Frauen, uns selbst oder alle Anwesenden. Ich blicke in den Spiegel, sehe ein verzerrtes Bild, und schreibe.

„She’s always on the move…“

Mit dem Ende der gesprochenen Einleitung betritt Silvia Ospina die Bühne. Ihre Bewegungen beginnen langsam und bedächtig. Ihr Körper biegt sich von Seite zu Seite, ich denke an Wind, der sie verweht – aber wohin? Im Kontrast zur andischen Kleidung erklingt die mittelalterliche Musik eines Clavichords. Ospinas Körper bildet präzise Formen und Linien, in sich selbst und im Bezug zum Raum. Mit dem sehr großen Rock kreiert die Tänzerin neue Bewegungsmuster und Bilder, schlägt ihn vor und zurück, wirbelt ihn nach oben. Die Rillen des Rocks bilden für mich eine riesige Vulva – Geburt, Herkunft, Natur, Stärke. Plötzlich fällt die Tänzerin zu Boden. Sie ruht, mit dem Kopf auf einen Stein gelegt. Bequem sieht das Ganze nicht aus, muss sie diese Verbindung aufrechterhalten? 

Der Ton des Stückes ändert sich, die anfangs adrette Kleidung scheint jetzt nicht mehr ganz auf den Körper der Performerin zu passen. Ein Gebilde aus Stein mit einem Zapfen darauf und einem roten Band drum herum, wird gepflegt und genährt. Das Vorhaben scheint mir aussichtslos, mit dem Stein als Nährboden, doch die Zärtlichkeit und Beharrlichkeit der Bewegungen lässt mich hoffen. Kleine schnelle Schritte, mit denen Kreise auf dem Boden gezogen werden und die Tänzerin mühelos durch den Raum schwebt, haben etwas Rituelles. Wieder greift sie den Rock auf und wirbelt ihn um sich. Auch hier entstehen kreisförmige Muster und ein eindrückliches Geräusch. Mittlerweile wirkt die Darstellerin unbezwingbar. 

Eine goldene Münze taucht auf. Die Tänzerin schiebt sie vor sich hin, stößt sie weg und tritt mehrmals kraftvoll darauf. Trotzdem scheint sie nicht zu verschwinden. Sie ist nun Teil der Szenerie, auch wenn sie nicht zur Symbiose von Natur und Körper passt. Ospina untersucht die Münze näher – und lässt sie auf den Spiegel mit den Intentionen für Frauen fallen. Mit einem Knall zerbrechen unsere Absichten…

Ich bin bewegt von der mitreißenden Geschichte, den präzise ausgeführten Bewegungen und der genutzten Symbolik. Aber ein Gedanke lässt mich nicht los: Wenn wir hier über Frauen sprechen, denken wir trans-Frauen mit? Die explizite Verbindung von Uterus mit Reproduktion und Frau-Sein ignoriert, dass es Frauen ohne Uterus gibt sowie Männer mit Uterus; nicht-binäre und intergeschlechtliche Personen und andere nicht-Frauen, die Reproduktionsarbeit leisten; und nicht zuletzt Menschen, die ihre Uteri nicht mit Reproduktion in Verbindung setzen. Das Verharren auf biologischen Merkmalen folgt patriarchalen Denkmustern und erfährt eine gefährliche Renaissance als Argumentation rechter Strömungen weltweit, um ungleiche Machtverteilung zu rechtfertigen. Um dem entgegenzuwirken, wünsche ich mir künstlerische Werke, in denen gesellschaftliche Vielfalt ein „Warrior in Resistance“ ist und herkömmliche Kategorien hinterfragt werden.


ANUNCIA EN EL PEDREGAL von Silvia Ospina wurde am 19.04.2025 aufgeführt.