No More Eggs for Breakfast, Dalia Velandia ©Dalia Velandia

Selbstportrait mit Eierschalen

No More Eggs for Breakfast, eine Produktion und Performance von Dalia Velandia, handelt von Eiern. Am 13. und 14. Dezember 2024 präsentierte die Absolventin des Solo Dance and Authorship (SODA) Masterprogramms des Hochschulübergreifenden Zentrums Tanz ihre Abschlussarbeit in den Uferstudios.

Eine karge Landschaft im Studio 14der Uferstudios zieht sich über mehrere Ebenen: Sitzgelegenheiten bilden ein quadratisches Podest um einen monolithisch emporragenden zentralen Sockel. Weiße Planen, hügelig-bergig aufgeschichtet, und dazwischen verstreut jede Menge Eierschalen. Während das Publikum langsam den Saal füllt, fügt Dalia Velandia behutsam weitere Elemente zu diesem seltsamen Garten.

Sie verschwindet hinter einem Vorhang ; in der Dunkelheit hören wir Eier knackend zerbrechen. Jemand schlägt Eischnee. Auch das hören wir. Dann kehrt Velandia zurück. Sie ist nackt. Sie legt ein Ei auf den Sockel. Fast unmerklich wechselt das Licht. Die Oberfläche des Eis reflektiert seinen Schein. Es erstrahlt hell, leuchtet wie der Stern auf dem Weihnachtsbaum. Bemerkenswert intensiv. Der Geruch von verkochtem Ei zieht durch den Saal, und mir wird ein wenig übel. Velandias Werk verweist mit dieser multisensorischen Sättigung auf die Menge von Eiern , die ein nicht-vegan lebender Mensch möglicherweise verzehrt. Sie thematisiert die brutale Realität von Hennen in industriellen Legebatterien sowie die facettenreiche Textur und das Potenzial des Eis an sich. Sie erzählt uns, dass sie seit 2020 die Eierschalen knackt, die sich jetzt auf der Bühne finden. Mit dem Ernst, den sie im Umgang mit den fragilen Hüllen an den Tag legt, möchte sie uns dazu motivieren, die Bedeutung von Eiern mit gleicher Ernsthaftigkeit zu betrachten, wie sie.

Traditionell steht das Ei in der Kunst als mächtige Ikone des Lebens. Es symbolisiert Fruchtbarkeit, Sexualität, Weiblichkeit und den Kreislauf der Natur – von  Sarah Lucas‘ „Self-Portrait with Fried Eggs“, in dem Eier die Brüste der Künstlerin darstellen, bis  zu Björks Musikvideo „Venus as a Boy“, in dem sie, in Anlehnung an Batailles Geschichte vom Auge, Eier zärtlich betastet  und dann kocht. Auch Petrit Halilajs und Álvaro Urbanos eiförmige Mondskulptur in „Lunar Ensemble for Uprising Seas“, kommt mir hier in den Sinn. Und dies sind nur wenige Beispiele.

Velandia schreibt die Tropen feministischer Performancekunst und die Einbeziehung des Eis als Erotikon, Objekt und Metapher für Fortpflanzung, Sinnlichkeit und Zyklen fort. Gegen Ende der Show zieht sie langsam ein in ein Kondom gewickeltes Ei aus ihrer Vagina. Sie spielt damit, leckt es, lässt es in ihrem Mund kreisen, bis es zerbricht. Das Kugelinnere ergießt sich über ihren Körper und tropft auf den Sockel. Die Schale ist für ihre wachsende Sammlung bestimmt.

Kräftig und fragil schwebt das Ei zwischen körperlichen und äußeren Räumen, ist Nahrung, ist Element im Menstruationszyklus, manifestiert sich in planetarischen Rhythmen. In dem Moment, in dem es aus Velandia heraustritt, schafft das Ei die Verbindung zur menschlichen Fortpflanzung. Die Künstlerin erzählt, dass ihr – unser – Ursprung ein befruchtetes menschliches Ei ist.

Zunächst bin ich maximal gefesselt von Velandias Duett mit dem Ei auf dem flachen, dunklen, gläsernen Podest. Bedächtig biegt und windet sie ihren Körper in ausholenden Bewegungen, während das Ei durch die Falten und Kurven auf ihrer nackten Haut rollt. Dann fällt es. Mir scheint, es fällt eher unbeabsichtigt als prekäre Konsequenz des Tanze(n)s. Es springt vom Boden ab. Offenbar eine Attrappe. Oder hartgekocht. Anders als die nicht-geborstenen küken- und schalenlosen Eier im menschlichen Körper. Die von der scheinbaren Zerbrechlichkeit und Virtuosität der Interaktion geförderte Spannung, die ich spürte, schwindet. Die Handlung ist reduziert, ohne die Realität des Rohstoffs Ei, seine immanente Verletzlichkeit und deren Konsequenzen. Die Performance verändert sich. Jetzt geht es Velandia weniger um Schutz und Fürsorge, sondern darum, uns ihre Beziehung zu Eiern zu demonstrieren. Wenngleich sie vom Reichtum dieser elementaren Objekte der Veränderung inspiriert ist, bleibt in mir das Gefühl, dass sie ihre Fürsorge für das Ei für uns performt, präsentiert als Affekt, der in mir allerdings ausbleibt. Ich erkenne hier eher Instruktion als Transformation.

Übersetzung aus dem Englischen: Lilian Astrid Geese


No More Eggs for Breakfast von Dalia Velandia wurde am 13. und 14. Dezember 2024 in den Uferstudios präsentiert.