Ich bin da, trotzdem – Hörst du?, Katja Münker/Yael Schüler ©y-productions

Schritt für Schritt

Ich bin da, trotzdem – hörst Du?, choreografiert von Katja Münker nach einem Konzept und unter der Regie von Yael Schüler, nimmt uns mit auf die Reise von drei Menschen, die ihre Verbindung suchen. Die Produktion feierte am 6. und 7. März 2025 im ACUD Theater Premiere.

Yael Schüler liegt auf dem Boden, einen hölzernen Stock im Arm haltend. Raphael Isaac Landzbaum nimmt ihr einen Stein vom Mund, damit sie atmen kann. Schüler kriecht in die Bühnenmitte, bemüht, die Verbindung zu Landzbaum nicht abreißen zu lassen. Ebaa Monther liegt in der Ecke und zittert.

Es gibt eine spürbare Korrelation zwischen Trauma und dem Wunsch nach Bindung, die mich während der gesamten Inszenierung nicht loslässt und mich an die menschliche Sehnsucht erinnert, gehört und verstanden zu werden. Tatsächlich erscheint es mir oft einfacher, über den Austausch zu ähnlichen Erfahrungen Anschluss an andere zu finden, insbesondere, wenn diese negativ waren. Ich bin da, trotzdem – hörst Du? ist eine Produktion, die inspiriert von Paul Celans Gespräch im Gebirg Tanz, Musik und Schauspiel kombiniert. Wir beobachten drei Menschen, die fundamentale, lebensverändernde Erfahrungen gemacht zu haben scheinen. Details entgehen mir jedoch, da der Text des Stückes überwiegend auf Deutsch rezitiert wird. Unter Verweis auf Celans Prosa, die sich mit dem Prozess der Selbstwahrnehmung befasst, fungieren neue Traumata als Echo der alten, ein dezenter Hinweis darauf, dass unsere Erfahrungen oft sowohl universell als auch existenziell sind.


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Zu Beginn des Stücks liegen die drei Tanzenden rechts vor der Bühne. Sie zittern heftig. Holzstöcke und Steine unterschiedlicher Größe sind über die Bühne verteilt, wie unerwünschte Relikte, Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit. Schüler ertastet einen Stock. Immer noch zuckend zieht sie diesen über den Boden. Laute Kratzgeräusche erfüllen den Raum. Sie springt auf und rennt plötzlich los, die anderen beiden Performenden zurücklassend. Dann hockt sie sich hin, auf zwei Steinen balancierend, und summt beruhigend. Kurz darauf liegt sie auf dem Rücken, ganz nah bei uns. Sie hält einen Stock vor der Brust, ein Stein verschließt ihren Mund. Was bedeutet diese Stellung, frage ich mich. Warum das heftige Atmen, kaum dass Landzbaum sie aus ihrem Schweigen befreit? Celans Text referiert nicht nur das Opfersein, sondern auch die Situation des Täters. Vielleicht sehe ich hier Schüler, die ihre Viktimisierung wahrt, wenngleich auch dauerhaftes Schweigen die Reise zur Heilung potenziell gefährdet. 

In einer anderen Szene erleben wir Monther singend und wütend stampfend, während sich Schüler immer wieder gegen die Saaltür wirft. Irgendwann brechen beide erschöpft zusammen. Landzbaum beginnt ein Gespräch. Dann reden – und schweigen – alle drei gleichzeitig, in verschiedenen Sprachen: Hebräisch, Arabisch und Deutsch mischen sich, überblenden sich. Offenbar erzählen sie die gleiche Geschichte. 

Bei der Schlussszene ertönt Musik aus dem Nahen Osten, und die drei Künstler*innen entfernen sich von uns in synchronen Schritten. Gemeinsam ziehen sie über die Bühne, sich hier und da unisono im Kreis drehend. Ihre Bewegungen erinnern an den populären levantinischen Dabke. Sie gehen fort, die Lichter werden gelöscht. Doch ihre Schritte sind auch unsere. Wir schaffen neue Pfade, wo anderen bereits liefen. Alte und neue Fußspuren werden ununterscheidbar. Gehen wir also weiter. Schritt für Schritt.

Übersetzung aus dem Englischen: Lilian Astrid Geese


Ich bin da, trotzdem – hörst Du? (Choreografie: Katja Münker, Konzept/Regie: Yael Schüler) feierte am 6. März 2025 im ACUD Theater Premiere.