Vom 8. bis 13. Juli 2025 zeigen Angela Vitovec aka Angela Schubot und ein gemischtes Ensemble aus Performer*innen vom Theater Thikwa und aus der freien Tanzszene erneut Ya!, eine Performance, die 2024 in Kollaboration mit Schafgarbe entstand.
Heute Morgen trieb ich auf einer Art Holzfloß von langer schmaler Form über einen Fluss. Um zu navigieren hatte ich einen Stab, mit dem ich mich vom Boden des Flusses abstieß. So steuerte ich immer wieder die Uferböschung an und sammelte dort Blüten ein: große gelbe Lippenblütler, orangene margeritenförmige und kleine weiß-rosa Dolden. Warum ich diese Blüten sammelte, ist mir unklar. Ich kann nur sagen, dass dieses Sammeln eine Bedeutung hatte – und dass, als ich aufwachte und mich umsah, alle Blüten verschwunden waren.
Ähnlich wie in diesem Traum ging es mir mit Ya!, einer Performance, deren Titel sich von „yarrow“, dem englischen Namen der Schafgarbe ableitet. Auf völlig mysteriösen Wegen hat sie mich gestern eine Weile lang durch den scheinbar zeitlosen Abend begleitet (ganz unverkennbar bis in meine Träume), einen Raum für Erinnerungen und Gefühle geöffnet, mich berührt, mich besungen, mich durch eine dunkle Höhle geschleust und am Ende wie neu geboren wieder ausgespuckt.
Nichts an Ya! ist geradlinig. Es beginnt mit dem Boden, einem gewellten Holzplateau, das sich in einer konkaven Rundung bis an die Wände hochschiebt, und endet mit der Zeit, die wie eine verbogene Spirale zu immer wieder neuen ungleich großen Bögen auszuholen scheint. Dazwischen verbeulte Bündel brauner Schafwolle, Wolle an den Wänden und Wolle rund um eine Höhle, an deren Wand ich mich anlehne und mit geschlossenen Augen dem mäandernden Zusammenklingen der Stimmen zuhöre.
Während ich dem Chor der liegenden Performer*innen lausche und mir der Geruch der Wolle in die Nase steigt, ist mir mit einem Mal so als hörte ich in diesen Stimmen das Blöken der Schafe. Und ich stehe plötzlich in jener Herde, mit der meine Mutter und ihre Geschwister als Kinder tagtäglich ihre Nachmittage verbrachten. Die Erinnerung – wenn man diese bildliche Szene, die ich selbst ja nun nie erlebt habe, so nennen kann – verweilt für einen Moment bei mir, dann wird sie sachte fortgespült.
Denn neben mir wird ein Gurgeln und Gluckern laut. Es kommt aus einem Mund, in dem gerade Wasser zu Schaum geschüttelt wird. Wasser, das der Performerin, die keinen halben Meter von mir entfernt kniet, nun schlückchenweise über die Lippen und das Kinn tropft. Ich verfolge den Weg des Wasser und die Bewegung meiner eigenen Empfindungen: Da wo ich Ekel vermutete, stelle ich fest, ist eigentlich nur eine große unaufgeregte Aufmerksamkeit. Kinn, Wasser und Geräusch sind längst zu einer Landschaft geworden. Ein moosiger Fels in einem glucksenden Gebirgsbach.
Während ich noch an diesem Bach sitze, fügen sich die Stimmen des Chors zu einer polyphonen Melodie zusammen. Ein Lied bewegt sich durch den Raum, streift mich wie ein Wind in mir unbekannten Lauten und Gesten, von denen ich mich dennoch gemeint fühle. Vielleicht ist diese mystische Sprache, die in Ya! zum Ausdruck kommt, eine Art der Kommunikation, die über die Grenzen von Spezies hinweg, auch die Schafgarbe, das Schaf, die Böe, den Bach, den Fluss, ja den Traum einzuschließen vermag?
Ya! von Angela Vitovec aka Angela Schubot wurde vom 8. bis 13. Juli 2025 am Theater Thikwa gezeigt.