Zweierbegegnungen von je einem Mitglied aus den beiden Ensembles Dance On und Solistenensemble Kaleidoskop legten den Grundstein für die Performance A Sky Like A Wall, die am 29.11.2024 in der Berlinischen Galerie uraufgeführt wurde.
Wer schon in der aktuellen Ausstellung der Berlinischen Galerie war, der*dem ging es vielleicht ähnlich wie mir. Schon der erste Blick in die Haupthalle, an deren Wänden in Reihen die zum Teil. überlebensgroßen Portraits der Fotografin Rineke Dijkstra hängen, zieht die Betrachtenden hinein in ein komplexes Feld aus Blickachsen, Projektionen und Spiegelungen, in dem auch der „nur“ zum Schauen gekommene Körper schlagartig die Illusion der eigenen Unsichtbarkeit fallen lassen muss.
©Jubal_Battisti
Heute Abend, wo das Publikum in Trauben ausschwärmt, um die in unterschiedlichen Räumen der Ausstellung zugleich beginnende Performance A Sky Like A Wall zu sehen, ist dieses Verschwimmen der Grenzen zwischen der Kunst und ihren Rezipient*innen noch verstärkt. Mit schlichten und zugleich präzisen räumlichen Setzungen ziehen die aus jeweils einem Mitglied beider Ensembles gebildeten Paare das Publikum in eine musikalische und tänzerische Architektur hinein, die sich Baustein für Baustein auf- und auch wieder abbaut.
Da sind die beiden Doppelgängerinnen (Ildiko Ludwig und Jone San Martin), die mit etwa drei Metern Abstand einander gegenüber laut in einer unbekannten Sprache gestikulieren. Ihr Kauderwelsch gemeinsam durch den Raum tragend, formen sie ein bewegliches Portal, in das manche freiwillig eintreten, andere unbemerkt hineingeraten. Im Nachbarraum, wohin mich die Töne eines Streichinstruments gelockt haben, spielt Michael Rauter Cello. Neben ihm auf der Bank liegt wie eine Eingeschlafene die Tänzerin Emma Lewis. Langsam und leise wie ein rutschender Berg gleitet ihr Körper zu Boden während die Zeit für das umstehende Publikum still steht.
©Jubal_Battisti
Entwickelt wurden diese und viele andere Duette, die sich simultan in der Ausstellung verteilt abspielen, in Auseinandersetzung mit Rabih Mroués Notebook of the Unspecified Color, das musikalische Partituren, Performancescores, Bilder und Texte enthält, die sich mal explizit, mal assoziativ an der Geschichte des Turmbaus zu Babel orientieren. Was in der Bibel als eine Strafe über die Menschen kommt, manifestiert sich in A Sky Like A Wall – zu meinem Gefallen – ohne abschließend bewertendes Urteil. Ob das Missverständnis tragisch, komisch oder produktiv ist, die Ungleichzeitigkeit Fomo weckt oder nicht, die Grenzen der eigenen Sprache auch die Grenzen der eigenen Welt (Gruß an Max Weber) sein müssen, bleibt jeder*m Zuschauer*in selbst überlassen.
In diesem Sinne ist die Arbeit radikal horizontal und auf sympathische Weise anarchistisch. So kann, wer beispielsweise gerade noch etwas verloren in einem bisher leeren Raum stand, plötzlich die*der erste und für einen kurzen Moment einzige Zeug*in eines Schubert’schen Streichquartetts werden. Umso magischer wirken schließlich jene Momente, in denen das disparate Geschehen sich scheinbar wie aus dem Nichts zu wiederkehrenden chorischen Höhepunkten kondensiert oder spiralförmig zu choreografischen Passagen zusammenzieht, die vom gesamten Team der 16 Musiker*innen und Tänzer*innen gemeinsam getanzt werden.
A Sky Like A Wall von Dance On Ensemble & Solistenensemble Kaleidoskop In collaboration with Rabih Mroué wurde am 29. & 30.11.-2.12.2024 in der Berlinischen Galerie aufgeführt.