Martin Nachbar, „This thing I am“, (c) dieter hartwig

Quo vadis, Körper?

In den Sophiensaelen hinterfragt Martin Nachbar in „This Thing I am“ die Wirkung von Cyborg-Technologie auf körpereigene Systeme

Batteriebetriebene Herzschrittmacher im Körper oder ein Cochlear-Implantat im Innenohr. Das sind Technologien, die den menschlichen Körper in seiner Funktion beeinflussen und effizienter machen. Aber um Effizienz geht es längst nicht nur bei defizitären körperlichen Situationen: Experimentierfreudige Menschen nutzen in die Haut eingepflanzte Elektrochips, um beispielsweise ihr Smartphone magnetisch zu steuern. Cyborgs, Wesen zwischen Mensch und Maschine, bekannt aus Science-Fiction-Literatur, sind Wirklichkeit geworden. Welchen Effekt hat die Cyborg-Technologie auf den Menschen und was macht einen Menschen zum Cyborg? Choreograf Martin Nachbar geht diesen Fragen in seiner Research-Arbeit „This Thing I am“ nach.

Aufgrund fehlender finanzieller Mittel entschied er sich nach eigener Aussage, auf aufwendige Technik zu verzichten und richtet seine Performance zunächst an innerkörperlichen Vorgängen aus. Es geht um das größte körpereigene Netzwerk: das Bindegewebe. Sunniva Vikor Egenes liegt auf der Bühne, Benjamin Pohlig und Lisa Densem berühren ihren Körper mit beiden Händen. Sie aktivieren Egenes Faszien, welche auf den sanften Druck mit Bewegung reagieren. Mit Hilfe dieser Methode entwickelt das Trio eine Choreografie aus drei Körpern, die durch ein unsichtbares Netzwerk miteinander verbunden sind. Alle drei beugen und strecken sich, dazu dehnt sich ein Ton so lange, bis der nächste Move folgt. Die größtenteils sehr minimalistisch strukturierten Tonfolgen steuern die Performer*innen mittels Smartphone, das auf einem kleinen Tisch am Bühnenrand liegt, selbst an. Diese nachvollziehbaren reduzierten Prozesse sind einerseits zwar ein guter Versuch, um Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, andererseits bleibt der ästhetische Kick dabei leider allzu sehr aus.

Auch die äußere Struktur der Performance bleibt simpel. Drei Performer*innen denken sich jeweils eine Geschichte darüber aus, wie sie zum Cyborg wurden. Jeweils vor und nach der Story aus einer gar nicht so fernen Zukunft, folgt ein tänzerischer Part des Trios. Pohlig erzählt beispielsweise, wie er zuerst einen Chip in seine Haut einpflanzte, um seine Körperdaten an die Versicherung zu übermitteln. Später, so fährt er fort, beschloss er, sich in die Hard- und Software der Versicherung einzuhacken, um die Kontrolle über seine eigene Erinnerung wiederzuerlangen.

Eine ganz klare Stärke, die den Tanzfolgen, die wenig Entwicklung erfahren, entgegensteht: Wie Nachbar in seiner Performance motivisch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinander verwebt. Besonders deutlich wird das, wenn sich der Choreograf mit der Funktion der Hände auseinandersetzt. Hierfür lässt er alle drei Performer*innen im Vierfüßlerstand gehen. Zu einem späteren Zeitpunkt nimmt er den Gedanken durch die Fixed-Point-Technik wieder auf. Lisa Densem kniet seitlich vor einem Spiegel. Der Arm hinter dem Spiegel bewegt sich nicht, sondern ist an einem fiktiven festen Punkt fixiert. Bewegt Densem den vorderen Arm nach unten, sieht es aus, als würde sie ihre Hand vom Arm abteilen. Der rauschende und quietschende Klangteppich unterstützt die optische Täuschung, als würde ihre Hand immer und immer wieder aufs Neue abgesägt werden. Es klingt erneut die Frage an, wie Körperteile mit zunehmender Technik ihre Funktion verändern. Was wird aus der Hand, wenn Smartphone-Daumen und Sprachsteuerung ihre Bedeutung weiter verdrängen? Ein kritischer Gedanke, der durch dieses Bild gut aufgegriffen wurde. Solche Bilder hätte ich mir öfter gewünscht. Sie kommen der Komplexität der Netzwerkgedanken sowie all den Theorien und Techniken über körpereigene Systeme, die Martin Nachbar für seine Arbeit vorauszusetzen scheint, vielleicht am nächsten. Durch Insistieren auf der Vereinfachung zeigt er dem Publikum hingegen nur lose miteinander verbundene Teile und sich wiederholende Tanzfolgen, die nur wenig Abwechslung bieten.