Der Double Bill WET HOT WOMBS – Bathing into other Bodies von Tentacular Figurings und Super Superficial von Kysy Fischer ist ein einprägsamer Start in die Tanztage 2025. Das Festival findet vom 9. bis 25. Januar in den Sophiensælen statt.
Ich sehe einen Oktopus tanzend auf einem Korallenriff, Tentakeln in einer Weltraumkulisse, eine Wäscheleine, mehrere Tiefseetiere, eine Seemonster-Frau-Diva. In das alles verwandelt sich Mika Bangemann (im Kollektiv Tentacular Figurings) gekonnt an diesem Abend. Figurentheater, Performance und Live-Musik verschmelzen, ebenso der menschliche Körper mit nicht-menschlichen oder mehr-als-menschlichen Figuren. Grenzen verschwimmen und Oberflächen verschmelzen miteinander und lassen somit menschliche Beschränkungen hinter sich.
Bis zum Ende des Stückes sehe ich nur einzelne Körperteile der Darstellerin, die gleichzeitig Körperteile von post-menschlichen Wesen bilden. Aus einer ruhigen Badeszene steigen plötzlich mächtige Krakenarme empor und reißen mich aus meiner Betrachtung der gelassenen Atmosphäre. Daraus wird ein Schleimwesen geboren, von dem ich gleichzeitig fasziniert bin und an Horrorfilme erinnert werde. Aus dem Rauch steigt später ein Seemonster empor. Halb Mensch, halb Meerestier oder Monster, definitiv Diva. Wiedergeboren mit einer Körperlichkeit, die das Menschliche mit dem Post-menschlichen vereint. Nicht nur in der Tiefsee ist das Mensch-Monster bewandert, auch die Punk-Bühne nimmt es problemlos für sich ein. Bei „Am I ever alone with my body?“ und den letzten Klängen der Aufführung denke ich an Gespräche mit Freund*innen, die gerne ihren menschlichen Körper gegen Schleim oder Folie eintauschen würden und so ständigen gegenderten Zuschreibungen aus dem Weg gehen und neue Möglichkeiten des Seins erkunden wollen. (WET HOT WOMBS – Bathing into other Bodies)

Super Superficial, Kysy Fischer ©Mayra Wallraff
Ich sehe Körper, Skulpturen, Schaufensterpuppen. Drei Grazien auf einem Podest, Hände haltend, umeinander tanzend, scheinbar schwebend in Leichtigkeit. Nackt, entblößt, bewundert, begehrt, auf einen Sockel gestellt, idealisiert. Musen. In meiner kurzen Internetrecherche zu Musen finde ich nur Bilder von Figuren mit langen Haaren, großen Brüsten und sehr kindlichen Gesichtern. Erst verkörperlichen Kysy Fischer, Mariana Romagnani und Manoela Rangel solche Frauenbilder – oder Projektionen – dann brechen sie diese. Stille. Wir blicken auf drei nackt posierende Frauen auf der Bühne, ihre Gesichter zum Publikum gewandt. Während das Licht heller wird und auch unsere Gesichter zu sehen sind, stellt sich die Frage: Wer beobachtet jetzt wen? Schließlich schauen wir nicht mehr anonym, aus der Dunkelheit, auf die Szene.
Veränderung beginnt im Kleinen. Die lieblichen Posen bekommen eine verzerrte und schließlich groteske Mimik. Ein Lächeln wächst zu einem Grinsen, das sich in ein Zähnefletschen verwandelt. Die vorher zarte Nacktheit wirkt nun eher bedrohlich. Die Darsteller*innen sind nun mächtig, gefährlich und vor allem witzig. Mit viel Humor erzählen sie eine neue Geschichte über die Nackte Frau. Das eigene Portrait wir in Großformat auf die Körper der Performer*innen projiziert, da springt ein riesiges Auge zwischen den Pobacken hin und her. Die (körperlichen) Oberflächen vom Anfang des Stückes wurden sich angeeignet, Projektionen auf diese werden neu erzählt. Als etwas, was den Menschen auf der Bühne entspricht, nicht dem Betrachter (bewusst nicht gegendert). (Super Superficial)
WET HOT WOMBS – Bathing into other Bodies von Tentacular Figurings und Super Superficial von Kysy Fischer wurden am 9. und 10. Januar 2025 im Rahmen der Tanztage 2025 gezeigt. Das Festival findet vom 9. bis 25. Januar in den Sophiensælen statt.