Unfinished Fridays in den Lake Studios präsentiert Works-in-Progress von Kunstschaffenden in Residenz und Gästen. Ausgabe #111 zeigte am 25. Oktober 2024 Performances von Maiada Aboud, Karlotta Frank und LOLA.
Im grünen Friedrichshagen gelegen, sind die Lake Studios ein Ort für Residenzen, Recherche und Performance. An den Unfinished Fridays präsentieren aktuelle Kunstschaffende im Haus und Gäste Werke in Entstehung vor Publikum. Das Feedback der Zuschauenden soll in den Schaffensprozess einfließen.
Das erste Projekt, das wir am 25. Oktober sehen, ist Maiada Abouds Replica: Between two shadows. Zum Klang einer laut tickenden Uhr liest Aboud einen humorvollen Text über die seltsame Freiheit im Leben einer Außenseiterin. Performerin Luisa Ravanelli liegt auf dem Rücken, ein Apfel auf ihrem Bauch hebt und senkt sich im Rhythmus ihres Atmens, weitere Äpfel sind verstreut auf dem Boden. Aboud geht ab, Ravanelli erhebt sich und sammelt die Früchte in den Rock ihres weißen Kleides, das sich unter deren Gewicht ausbeult und dehnt. Dann wirft sie die Äpfel durch den Raum, rennt umher, sammelt sie wieder ein. Ein schlichter Akt, seltsam, bizarr, den sie ein ums andere Mal vollzieht. Die Äpfel fliegen gegen die Wand, rollen durch den Saal, bis sie zerplatzen. Nichts weiter geschieht, und das ist fast beunruhigend. Die Choreografie verweist auf den Verfall von Raum und Stofflichkeit. Der Boden ist mit Fruchtmark überzogen, Ravanellis Kleid fleckig vom Saft. Ich lese darin die Bürde erlebter Erfahrungen, erkenne die Spuren, die sie hinterließen, und den Versuch von Abwehr, eine Trotzreaktion.
Karlotta Franks Solo dedication to what happened eröffnet marionettenartig: Franks Glieder schießen nach außen, der Boden scheint unter ihren Füßen zu versinken. Wer zieht die Fäden, frage ich mich. Das kecke Lächeln der Künstlerin ins Publikum ist Indiz: Sie bestimmt, wo es lang geht. Als präsentierte sie eine leicht groteske Revue, wechselt Frank zwischen kurzen Szenen. Ihre Hände werden zu Puppen in einem unverständlichen Zwiegespräch, ein Schlaflied ertönt, während sie einen Stuhl in den Arm nimmt, der sie in den Arm nimmt, ein gellender Schrei wird zum schallenden Gelächter. Wie bei der Sendersuche im Radio erklingen Klangfetzen, kurz, kontextlos, um eine neue Bedeutung anzunehmen.
Zuletzt präsentiert LOLA You Decide, ein Auszug einer laufenden Videoarbeit. Straßenlaternenlicht spiegelt sich im Wasser, während ein schön geschriebener Monolog vorgetragen wird. Doch ist es Ironie? „Nie war ich so glücklich“, leicht monoton gelesen? Figuren in einem eklektischen Mix von Kostümen geben sich scheinbar obskuren Ritualen hin, essen Früchte, hüllen sich in Stoffbahnen. Reverse-Aufnahmen werden projiziert, die Kleider haben ein Eigenleben, Haare binden sich selbst neu. Die Schwerkraft ist aufgehoben, auch der Ton wird rückwärts abgespielt, und so verwandelt sich die Konsistenz des Raumes, und wir verfolgen alles, als geschähe es unter Wasser oder hinter einer dicken, verzerrenden Glasscheibe.
Die Gegenwart von Publikum ändert das Wesen eines künstlerischen Projekts grundlegend und immer. Im Open-Studio-Format sehen wir praktisch, wie die Schale aufbricht und das Werk oxidiert, sobald es der Außenwelt sichtbar wird. In der moderierten Feedback-Runde im Anschluss an die Vorstellung können die Kunstschaffenden die verworrene Beziehung zwischen dem, was sie sagen wollen und dem, was gehört wird, reflektieren. Die Unfinished Fridays fördern den offenen Austausch, den freien Dialog zwischen einem generösen Publikum und Künstler:innen, die sich bereitwillig den unterschiedlichsten Reaktionen stellen. Das kann beide Seiten stärken.
Übersetzung aus dem Englischen: Lilian Astrid Geese
Unfinished Fridays at Lake Studios präsentiert jeden letzten Freitag im Monat unvollendete Arbeiten von ansässigen und Gastkünstlern.