Hey Körper?!, eine Choreografie und Performance von Sahra Huby für Menschen ab acht, war vom 13. bis 16. März 2025 im FELD Theater für junges Publikum zu sehen.
Meine Mutter erzählte einmal, dass das Meer blau ist, weil es sich aus dem Herzschmerz – den emotionalen Blutergüssen – der Menschen speist. Sahra Huby zeichnet sich einen kleinen Knopf auf die Brust und sagt, ihn zu drücken bewirke Trauer, ohne den Grund dafür zu kennen. Ich frage mich, ob ich einen zweiten Knopf daneben malen könnte, der, wenn er gedrückt wird, die Wellen des Ozeans auslöst, auf denen Sorgenfreund*innen reiten können.
Das Meer ist so viel mehr als das, was wir oberflächlich sehen. Auch unser Herzschmerz ist nicht immer sichtbar. Zum Beginn von Hey Körper?! verweist Huby auf eine mögliche Ursache für jenes Leiden, das wir in uns tragen. Das junge Publikum erfährt, dass wir alle einen Körper haben. Auf eine Tafel werden diverse Körperbilder projiziert – unterschiedliche Ethnien, Größen und Silhouetten. Je mehr die gezeigten Körper von der „Norm“ abweichen, also nicht mehr schlank, gender-normativ und unbehindert sind, desto lauter lachen die Kinder.
Anschließend präsentiert sich Huby als weiß, cis, weiblich-gelesen und „normal“, also schlank und fit, mit zwei Armen und zwei Beinen. Huby wird als „normal“ identifiziert, doch die meisten Körper sehen anders aus. Gleichwohl gleichen die Körper in anatomischen Zeichnungen von Menschen ausschließlich ihrem Körper. Quindell Orton, ebenfalls Performancekünstler*in, sitzt an einem Tisch mit einem Laptop und projiziert das Bild, das Wikipedia zum Eintrag „menschlicher Körper“ zeigt: eine fitte, weiße Frau ohne sichtbare körperliche Beeinträchtigung, die „Norm“, in die uns weiße Suprematist*innen und eine ableistische Gesellschaft zwängen wollen, was meist scheitert und uns in jedem Fall leiden lässt. Auf Hubys Versuch, das projizierte Bild auf der Tafel mit schwarzem Marker zu übermalen (Körperbehaarung, Fett, Hautunreinheiten) – reagieren manche Kinder mit Ekelgeräuschen: „Uähhh“, ‚Ihiiiii“.
Dann zeichnet Huby eine menschliche Gestalt, die sich in diverse Einzelteile zerlegen lässt. „Unser Körper verändert sich. Wir können ihn verändern, wenn wir wollen“, sagt Huby und bewegt während des Tanzens Elemente der Tafel mit Körperteilen in unkonventionelle Positionen. Die Platzierung eines Mundes auf dem Schritt, der später mit der Hand weggewischt wird, um der Zeichnung von Penis und Testikeln zu weichen, bewirkt Unbehagen bei den Zuschauenden.
Im weiteren Verlauf der Performance gewinnen wir Einsichten in die Realitäten und Möglichkeiten unseres Körpers, der Mikroorganismen ein Heim bieten kann, der einem Reaktor aus chemischen Elementen gleicht, eine Landschaft mit verschiedenen Klimazonen ist, ein Tagebuch unseres Erlebens, ein Möbelstück, ein Musikinstrument, Kommunikationsmittel, Gewicht, Textur, geometrische Form und vieles mehr. Angesichts der schieren Menge an kurz und knapp präsentierter Information ohne roten Faden verliere ich sukzessive die Fähigkeit, mich zu konzentrieren. Gleichzeitig erkenne ich, dass diesen Körper zeigen weit mehr ist, als wir denken und einen wertvollen Beitrag zur Erweiterung unserer Wahrnehmung darstellt.
Am Ende erklärt Huby, dass unsere Körper eine Familie und mit allen Menschen und jedem Wesen und Ding in diesem Raum und anderswo verbunden sind. Ich denke an das Meer und dass bei ihm – wie bei uns Menschen – Wasser den größten Teil des Körpers ausmacht. Wir sind eine Familie. Ich stelle mir die Lieder meines schmerzenden Herzens vor, die die Wellen reiten und sich in eine geheimnisvolle Melodie wandeln, die in den Tiefen meines Körpers ihr Echo findet.
Übersetzung aus dem Englischen: Lilian Astrid Geese
Hey Körper?! (8+) von Sahra Huby war vom 13. bis 16. März 2025 im FELD Theater für junges Publikum zu sehen.