Sprechende Raben, keine Pässe, Geld für alle und ein 3-Schritte-Plan für gesellschaftlichen Wandel: 2050 – Unsere Utopien von Raphael Moussa Hillebrand ist vom 3. bis 6. Oktober im Radialsystem zu sehen.
„Denkst du oft an mich?“ Die Zukunft, das Klima, Grenzen, Kapitalismus, die Festung Europa, globale Krisen. Aber auch Zusammenhalt, eine gerechte Gesellschaft und unbegrenzte technische Möglichkeiten, die das alles erleichtern. Präkoloniale Vorfahren, die andere Gesellschaftsformen lebten und in einer kolonialen Geschichtserzählung ausradiert wurden. Deren Geschichte aber Unsere Utopien nähren kann. 2050 – Unsere Utopien lädt zum Träumen ein, „für die, die nach uns kommen“, aber auch für uns selbst. Dabei ist das Stück spielerisch, konfrontativ, intim und vor allem ermutigend und hoffnungsvoll.
Gesprochenes Wort wird direkt in die Körper eingeschrieben, durch präzise, mal abstrakte, mal technische Bewegungsabfolgen veranschaulicht. Sodass wir es sehen, fühlen und uns merken. Solosequenzen entwickeln sich hin zu unisono. Die Interaktion der zwei Tänzer*innen Joy Alpuerto Ritter und Raphael Moussa Hillebrand mit der Live-Musik von Eurico Ferreira Mathias und Djelifily Sako verbindet traditionelles und zeitgenössisches Repertoire. Die Künstler*innen vereinen diverse zeitgenössische Tänze, von Breaking, Popping, Vogue zu zeitgenössischer Tanztechnik, auch Samba und Battoca kommen vor. Mit Hilfe von tänzerisch ausdrucksstarkem Material bekommen wir Einblicke in den Plan: 1. Wissen dekolonisieren, 2. Alternativen schaffen, 3. Selbstverteidigung. Das scheint komplex, aber greifbar, in erreichbarer Nähe, nicht ganz utopisch. Schließlich haben wir einen Plan mit drei klaren Schritten. Wenn da nicht die 35 anderen Schritte hinzukämen. Widerstand Leisten ist mühsam, es braucht einen sehr langen Atem.
Videoaufnahmen und Projektionen verdoppeln, vervielfachen die Tänzer*innen, denn sie sind nicht alleine mit ihren Wünschen und Kämpfen. Ermutigt von denen, die vor ihnen kamen und für die, die nach ihnen kommen. Wir werden ermutigt mitzudenken, mitzumachen. Ein Kaleidoskop an Projektionen. Eine optische Täuschung, eine Illusion, eine andere Version der Realität? Oder doch bald Wirklichkeit? Virtuose Soloeinlagen mit Cello, Kora (eine 21-saitige Stegharfe aus Mali) und Perkussion lassen uns innehalten und den Klängen der Vergangenheit und Zukunft lauschen. Utopien können viel sein, futuristische Erzählungen von Welten mit fliegenden Transportmitteln, Fantasiegebilde, naive Darstellungen von zukünftigen Lebensformen. Während des Stücks muss ich an eine vergangene Panel-Diskussion im HAU denken, bei der Margo Okazawa Rey, eine Mitbegründerin des Combahee River Collectives u.a. über Utopien sprach. Für sie sind Utopien essentiell für politisches und aktivistisches Arbeiten. Innerhalb eines Systems zu agieren und dieses nur umzustrukturieren, verändere zwar die Umstände für einzelne, verlagere aber nur existierende Machstrukturen und Ausbeutung auf andere Gruppen. Der Weg daraus seien Utopien, meinte Okazawa Rey. Und schließlich verleihen sie Hoffnung und Antrieb.
„Und wovon träumst du?“
2050 – Unsere Utopien von Raphael Moussa Hillebrand ist vom 3. bis 6. Oktober im Radialsystem zu sehen.