„Heroes“, RambaZamba Theater ©Andi Weiland

Das sichtbar gemachte Leben des Jean-Michel Basquiat

Mit dem Stück „Heroes – Mythos Basquiat, just for one day“ schaffen das RambaZamba Theater und die Choreographen Sara Lu und Rubén Nsue ein buntes Bild vom Leben des Malers, das einen in Trance versetzt.

1991 gründeten Gisela Höhne und Klaus Erforth, Eltern eines Sohnes mit Down-Syndrom, das RambaZamba Theater, das sich seither der Produktion alter und neuer Stücke von Schauspielern mit und ohne Behinderung widmet. Beheimatet in der lebendigen Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg, inmitten von Kunstorten, Cafés, Bars und Geschäften, ist das RambaZamba bekannt dafür, sowohl experimentelle Stoffe als auch Klassiker anzupacken. In letzter Zeit hat das Theater in Zusammenarbeit mit der spanischen Choreographin Sara Lu Ausflüge ins Tanztheater unternommen und lädt uns diesen Oktober ein, ein ganz besonders ansprechendes Thema zu erkunden: das Leben des amerikanischen Künstlers Jean-Michel Basquiat.

„Heroes – Mythos Basquiat, just for one day“ ist eine Interpretation von Basquiats Biographie und seines Werks, in dem es um die lebendige Darstellung der Gegensätze von Klasse, Erfahrung und sozialer Schicht geht. Basquiats Kunst katapultierte ihn aus extremer Armut zu internationalem Ruhm und sicherte ihm einen Platz inmitten New Yorks kultureller Elite, aber mit nur 27 Jahren starb er 1988 an einer Heroin-Überdosis. 30 Jahre später stellen die Choreographen Sara Lu und Rubén Nsue, die das Stück mit dem Team entwickelt haben und beide auch mitspielen, die Frage, was es bedeutet, gleichzeitig Held und Ausgestoßener zu sein, dazu gemacht durch Rassismus und Klassen-Diskriminierung.

Das Stück beginnt aus dem Blickwinkel des magischen Realismus. Langsam und gediegen bewegt sich die Zeit im Uhrzeigersinn am äußeren Rand der Black Box-Bühne und lässt Sand durch die Finger rieseln. Während dessen gebiert eine Figur, die Energie und Lebenskraft symbolisiert, Basquiat, während ein Mitglied der RambaZamba Truppe wehmütig ein Wiegenlied singt. Bald schon ist der Künstler erwachsen, prächtig im roten Anzug bewegt er sich geschmeidig, kraftvoll und anmutig über die Bühne. Wir bekommen hier kein Bild seines Charakters vermittelt, auch keinen Idee davon, wie sein Geist oder seine Ausstrahlung beschaffen gewesen sein mögen. Vielmehr werden wir durch eine Serie von Vignetten geführt, die Erfahrungen darstellen. Die der Stadt beispielsweise: Die ganze Truppe rempelt und schubst Basquiat zu Boden und erzeugt so den Eindruck von Verkehr, Aggression und Gewalt. Das heftige Stroboskop-Licht erzeugt einen irritierenden Effekt, man erhascht nur flüchtige Blicke auf die Szene und fühlt sich fast so als würde man selbst geschubst. Auch Schönheit, Verführung und Luxus sehen wir, vermittelt durch die anmutigen Bewegungen von vier Tänzerinnen in glänzenden Gewändern, Chiffon und Pailletten. Sanfte und anrührende Momente, in denen wir einen schönen und wichtigen Eindruck davon bekommen, wie viel Sinnlichkeit in der Begegnung einer Vielfalt von Körpern liegt. Auch die Vermischung von Macht und Sex sehen wir, als eine Figur Basquiat krönt und ihn zugleich begehrt. Und wir sehen den rasenden Wahnsinn von Partys, Passionen, Drogen und Kapitalismus, als Basquiat voll Angst und Genuss herumwirbelt, inmitten löwenköpfiger Figuren im Rampenlicht tanzt.

Basquiat ist jung gestorben und als das Stück ausklingt, geht es auch mit ihm zu Ende. Er kämpft mit der Zeit, versucht ihr Bewegungsmuster zu ändern, ihr aus dem Weg zu gehen, ihr ewiges Kreisen zu unterbrechen. „Mythos Basquiat, just for one day“ liefert kein psychologisches Portrait und keinen klaren Blick durch eine der vielen Linsen, die kurz aufgezeigt werden (Rasse, Sex, Macht, Körperlichkeit, Kunstmarkt, Kapitalismus, kreative Prozesse usw.). Das Stück zeigt vielmehr abstrakte Momente aus dem Leben des Künstlers, löst sie aus der Biographie heraus und setzt sie mit einander in Beziehung. Als die Lebensenergie kommt, um Basquiat sanft und ruhig dem Tod zu übergeben als brächte sie ihn zu Bett, sehen wir einen Jungen, der schläft, seine Krone vorsichtig auf der Brust balancierend. Das Bild changiert zwischen dem eines Soldatenbegräbnisses und dem eines Kindes, das jeden Moment aus dem Mittagschlaf erwachen und zu spielen beginnen wird. In seinem Werk und in seinem Leben kämpfte Basquiat mit den Extremen und im letzten Bild sehen wir zwei Extreme verschmelzen und werden mit der Frage entlassen, wie ein einziger Körper die Gegensätze und Extreme der Existenz bewältigen soll.

Deutsche Übersetzung von Bettina Homann