magicians in bed, Jeanne Eschert ©Xava Kasimir Mikosch

„Bitte machen Sie mein Bett nicht“*

Um das Bettfaltenlesen geht es in magicians in bed. Im Rahmen des Festivals Unrenewable Energies (15.9. – 17.10.2025, Uferstudios) führte Jeanne Eschert in eine Praxis ein, die sonst zu Hause stattfindet, meist bei Menschen, die ihre Betten nur selten verlassen.

Wie wäre das, wenn das eigene Bett auf einer Bühne stünde, so positioniert, dass alle hineinsehen könnten, beschienen vom Licht der Scheinwerfer? Wie wäre es, wenn sich da die Leute um eine*n scharten und aus der Horizontale sähe man – und damit meine ich mensch – vielleicht nur ihre Gesichter? Das müsste man schon wirklich wollen, sich selbst im Bett, dem ultimativen Rückzugsort, aufs Präsentiertablett stellen.

Es ist nicht so, dass das nicht schon getan wurde – ich denke da etwa an Tracey Emins Rekonstruktion des eigenen Betts in der Tate Gallery oder noch viel bekannter, die Bed-Ins von Yoko Ono und John Lennon – aber Jeanne Eschert scheint es mit ihrer Arbeit magicians in bed gar nicht darauf anzulegen, irgendetwas Privates publik zu machen. Statt eines Betts hängt ein riesiger weißer Lakenstoff in der Mitte des Raums von der Decke. Die Falten, die sonst eben beim Liegen im Bett entstehen, drücken wir heute ganz gezielt mit unseren Händen oder auch anderen Körperteilen in diesen Stoff, der zugleich Kulisse und zentrales Objekt der Aufführung ist.

Später wird Eschert uns erklären, dass sich Bettfalten ganz grob in drei Kategorien einteilen lassen: Knickfalten, die durch lange Belastung, also langes Liegen entstehen, fluide Faltenwellen, die sich bei Bewegung des Stoffs auch wieder ent-falten, und schließlich die kleinen, nicht allzu tiefen „knisternden“ Falten, die kreuz und quer im Stoff verlaufen.  – Eine Kategorisierung, die für viele schmunzelnde Gesichter im Publikum sorgt. Doch wer aufgrund eingeschränkter Bewegungsfähigkeit, Erschöpfung und/oder Schmerzen wirklich viel Zeit im Bett verbringen muss, wird sich die Falten im Bettzeug früher oder später genauer ansehen. Und dann macht es doch Sinn, nach ihrem verborgenen Sinn zu suchen.


©Xava Kasimir Mikosch


Leider ist meine Neugier an den Bettfalten und daran, was Eschert bei ihren Schlafzimmerbesuchen in der einen oder anderen speziellen Falte schon entdeckt haben mag, nicht annähernd befriedigt worden. Ich hätte gerne noch viel mehr gehört und zudem hätte ich mir eine Antwort auf jene Frage gewünscht, die ich selbst zur Vorbereitung auf die Performance an meine eigenen Bettfalten stellen und auf ein Papier schreiben sollte. Der Zaubertrick, den Eschert uns mit eben diesem Papier ganz en passant ausführen ließ, war allerdings beeindruckend und hat meine Enttäuschung gemildert. 

Trotzdem. Auf dem Weg nach Hause gingen mir viele Dinge durch den Kopf, die an diesem Abend nicht angesprochen wurden, zum Beispiel die gefährlichen Falten, jene Falten, die Lagerungswunden verursachen, wenn sich ein Mensch gar nicht mehr selbst bewegen kann. Alle, die einmal in der Pflege gearbeitet haben oder das noch immer tun, wissen, was ich meine, viele andere wahrscheinlich nicht. Mein Gefühl ist, Eschert muss noch viel mehr über Falten wissen, als sie ihrem Publikum verraten hat. Doch vielleicht wäre alles Weitere auch zu viel Privates auf dem Präsentierteller gewesen. Oder aber der Abend selbst war als eine Falte gedacht, deren verborgenen Sinn ich selbst lesen lernen soll.

Das Festival Unrenewable Energies läuft übrigens noch bis zum 17.10.2025, mit zahlreichen Workshops, Bettaudienzen und einer Party in den Uferstudios, sowie mit dem Symposium On Crip Technique, Knowledge and Expertise (10. – 12.10.2025) im HAU2. 


*Zitat aus magicians in bed.

magicians in bed von Jeanne Eschert wurde im Rahmen des Festivals Unrenewable Energies (15.9. – 17.10.2025) in den Uferstudios gezeigt.